Es war Wochenende in Berlin, freundliches Wetter, Frühsommer. Ich war etwas früh zur Verabredung mit meiner erwachsenen Tochter und hatte gerade eine SMS bekommen mit der Ankündigung, sie würde etwas später sein: So wandte ich mich dem Bücherstand auf dem Flohmarkt vor der Kreuzberger Marheineke Markthalle zu. Das kleine Taschenbuch mit dem Titel „Die Lämmer des Herrn“ lockte mich mit seinem Titelbild an – und wohl auch mit dem weiblich klingenden Autorennamen. Für 3 Euro war es meins. Dass der Autor, Mohammed Molessehoul, nur unter dem Vornamen seiner Frau schrieb, dass das Buch 1998 erschienen war, dass der Verfasser sein Heimatland Algerien 2001 Richtung Paris hatte verlassen müssen und dort auch das Geheimnis seines Pseudonyms gelüftet hatte – das alles las ich gleich auf dem Klappentext. Dann war erst einmal meine Tochter da – und unsere Gespräche gingen ihre eigenen Wege. Ein paar Tage später reiste ich zu einem Kongress und nahm es mit ins Flugzeug nach Spanien. So richtig glücklich war ich nicht mit der Übersetzung von Regina Keil-Sagawe – also nicht mit ihrem Deutsch. Vielleicht ist es aber gerade so genau angemessen übersetzt? Im Zug von Barcelona nach Saragossa las ich es zuende. Immer in diese eigenartige Landschaft starrend zwischendurch – denn erstens ist die interessant, wie sie da so vorbeirauscht am Hochgeschwindigkeitszug zwischen Katalonien und Aragonien. Spröde, nur stellenweise fruchtbar, trocken unter der harten Sonne. Zweitens ist das Buch auch wirklich keine leichte Lektüre, Auge und Herz brauchen dann und wann Erholung.
Das kleine Dorf Ghachimat wird von einem allwissenden Erzähler vor der Leserin ausgebreitet. Ebenfalls unter harter Sonne, aber nach Zeit und geographischer Lage ein algerisches Dorf. Hier wollen aufkommende Islamisten den in der Zeit nach dem Ende der Kolonialzeit bequem gewordenen Dörflern eine neue, kraftvoll arabisch-islamische Identität verpassen. Die Entwicklung der Figuren scheint einem zeitgenössischen sozialwissenschaftlich-moralischen Programm zu folgen – und wirkt vielleicht gerade dadurch, und trotz der oft etwas nervig lehrhaften Kommentierung, bedrückend realistisch:
„In Ghachimat nährt sich das kollektive Gedächtnis vorrangig von der Rachsucht. Heute muss Issa bezahlen. Seine Kleidung riecht muffig. Nur selten isst er sich satt. Mit gesenktem Haupt drückt er sich an den Wänden entlang, einem chinesischen Schatten gleich, und macht sich ganz klein … Wenn in Ghachimat jemand so verzweifelt ist, dass er sogar seinem Glauben abschwören würde, dann geht er hin, schaut diesem Verräter beim Kriechen zu und findet schlagartig wieder Gefallen am Leben.“ (20)
Außer um Rache nach Regime-Wechseln geht es in dem Buch auch um nationalreligiöse Fanatisierung. Damit die gelingt, das weiß jeder, der sich mal mit fanatischen Religionsformen beschäftigt hat, muss zuallererst das private Glück der Einzelnen abgeschafft werden – diesem Zweck dient neben der völligen Verpönung von Apostasie, Ausdrucksfreiheit und Homosexualität, selbstverständlich auch die Unterdrückung der Frauen. Die entscheidenden Lehren entwickelt Khadra in einem Dialog zwischen einem aus dem Gefängnis zurückgekehrten radikal-islamischen Cheikh und einem unglücklich verliebten Lehrer:
„‘Liebe, das ist Knechtschaft, Unterwürfigkeit. Diese Rolle fällt den Frauen zu, die sich unser Wohlwollen verdienen müssen. Das Drama der Menschheit beginnt mit der ersten Frau, die geliebt wird, obgleich sie allenfalls Anspruch auf ein gewisses wohlwollendes Entgegenkommen ihres Herren hat.‘ ‚Ich liebe sie seit meiner frühesten Kindheit.‘ ‚Du bist jetzt aber kein Kind mehr. Du musst sie aus deinen Gedanken verbannen. Es gibt im Dorf Jungfrauen, die besser zu dir passen, weil sie ihre Ehre so wohl zu bewahren wissen, dass sie kaum auffallen. Du bekommst sie nie zu Gesicht, ebensowenig wie andere Männer, und so sollte es auch sein … Sarah ist ein unkeusches Geschöpf, ein liederliches Teufelsweib, das sich Wüstlingen hingibt. Sie läuft mit bloßem Kopf und nackten Waden umher und redet laut auf der Straße. Der Zufall hat eine Giftpflanze aus deinem Weg geräumt, Sarah ist es nicht einmal wert, von dir mit Füßen getreten zu werden.‘ Es schmerzt Kada Hilal, den Cheikh so von seiner Angebeteten reden zu hören. Er putzt sich verstohlen die Nase.“
Als ich das las (wohl noch im Flieger), dachte ich: Inzwischen sind wir so an diese barbarische Rede gewöhnt – wir würden sie vielleicht nicht mal mehr eigens in einer Dialogform aufschreiben. Vor etwas mehr als 20 Jahren war das Gerede gegen jedes kleine bisschen Freiheit und Liebe noch neu genug. Der Verfasser scheint eher anhand aller ihm vermutlich bekannter Theorien über Rache und Ressentiment, über die heimlichen Matriarchate im Patriarchat, über alte und junge Generationen in religiösem Eifer geschrieben zu haben. Und innerlich muss er wohl angesichts der Ereignisse in seinem Land um das, was Freud die erotischen Strebungen, um das, was wir alle mehr oder weniger respektvoll die romantische Liebe nennen, geweint haben, als er dieses grauenvoll genaue Buch schrieb.
Denn die zitierten stumpfsinnig abwertenden Sätze bilden nur den Auftakt zu einer literarischen Gewaltorgie – bzw. zu einer schmerzhaft genauen Schilderung der orgiastischen Gewalt, die der Einbruch islamistischer Kämpfer in eine bis dahin schluderig verwaltete, bei aller gegenseitigen Missgunst doch noch relativ zufrieden vor sich hin dämmernde Dörflichkeit mit sich bringt.
Kurz zur Handlung: Sarah ist die Tochter des Bürgermeisters des kleinen algerischen Dorfes – und das Ziel der Wünsche aller jungen Männer des Dorfes, vor allem aber dreier Freunde, die einander aus der Schulzeit kennen: Allal, der Polizist, Jafer, der Faulpelz, und Kada Hilal, der Lehrer. Dieser stammt aus einer ehemals begüterten Familie, die nach dem Ende der Kolonialzeit ihre Besitztümer verloren hat – und deren Angehörige ihre Träume von Wiederherstellung ihrer guten Position nun in den islamistischen Bewegungen zu verwirklichen suchen. Kada ist in dieser Geschichte zunächst der einzige, der regelmäßig in die Moschee geht. Allal ist Polizist geworden ist und dient also „den neuen Machthabern“. Die Perspektive der „kommenden Leute“ – der Islamisten – hat der Lehrer schon gut drauf, auch wenn er sie noch mit einem kleinen Schuss Resignation versieht, um sie den eher säkularen Freunden klar zu machen.
„‘Dieses Kaff ist unsere Wiege und die Familie unsere einzige Heimat. Allal ist Bulle. Er hat die Seite gewechselt. Er sieht die Dinge nicht mehr mit den eigenen Augen, sondern nur noch mit ihren.‘“ Und an den Polizisten selbst gerichtet sagt er: „‘Du bist wie diese modernen Frauen. Du glaubst, du würdest dich emanzipieren, doch dabei wirst du nur dir selber fremd.‘…‘Du glaubst, du hast es geschafft, Allal. Vor dir haben schon andere dasselbe lauthals über die Dächer geschrien. Dann sind sie hierher zurückgekommen, um ihren Frust breitzutreten, und niemand hatte Mitleid mit ihnen.‘“ (12f)
Kürzer lässt sich eine reaktionäre Version der Entfremdungstheorie nicht zusammenfassen. Die „neuen Machthaber“ haben sich (nach ersten Rachefeldzügen gegen die ehemaligen Kollaborateure der Kolonialherren, in denen sie sich selbst bereichert und Leute wie Kada und seine Familie arm gemacht haben) der westlichen Welt vermeintlich angedient und darüber ihre Bodenhaftung verloren: so würde es wohl der deutsche Heimatfreund ausdrücken, und so drückt es auch immer mal wieder der Islamist aus. Richtig einwurzeln können sich die entkolonisierten Menschen nach Ansicht der Fanatiker aber nur, indem sie erstmal die alten Sitten wiederbeleben. Mit echten Herrenmännern und unsichtbaren Frauen. Der allwissende Erzähler dieses erstaunlichen Buches versteht alles – und lässt doch durchaus Abscheu gegen die wütenden Islamisten erkennen. Auch scheint ihm brennend bewusst zu sein, wie sehr deren Kampf jede mögliche Liebe als eine Liebe unter Gleichrangigen unmöglich macht.
Die von allen begehrte junge Sarah darf sich nicht nur unverschleiert zeigen – es ist gerade noch dieses „Zeitfenster“ in der Geschichte Algeriens – , sie darf sich auch selbst für einen Mann entscheiden; und sie entscheidet sich klar für den Polizisten. Die Liebe zwischen den beiden wird extrem diskret und als gegenseitig beschrieben. Der zurückgewiesene Lehrer sucht Trost beim Cheikh. Dieser ist längst dabei, ganz andere Dinge zu planen, deren Zweck in der eingangs zitierten Interpretation der Zurückweisung klar zutage liegt. „Der Bulle“ ist natürlich weit davon entfernt, ein Wüstling zu sein. Er liebt Sarah, Sarah liebt ihn, die beiden begehen keine schlimmere Sünde als die, eine auf individueller Liebe basierende Ehe zu schließen. Der Cheikh und Kada finden eine tolle Lösung für Kada, das Heilmittel gegen Liebeskummer, das man in allen militaristischen Gesellschaften kennt, natürlich ist es auch hollywood-tauglich: er wird als Kämpfer zu den Mudjaheddin nach Afghanistan gehen.
Dort übt er sich in Grausamkeit ein – während im Dorf der Sohn des gedemütigten Issa mithilfe des Cheikhs und der neuen Imame einen Rachefeldzug eigener Art und aus anderen Gründen beginnt. Interessant daran ist zunächst die Entmachtung der alten Gemeindevorsteher. Auch dieses Phänomen ist aus allen Religionen und aus allen Zeiten der Religionsgeschichte, schließlich auch aus der säkularen Geschichte bekannt: Irgendwann erzählen eifernde junge Männer (es sind in den monotheistischen Religionen immer junge Männer) den anderen, dass die Alten zu lasch sind. Alles soll strenger werden, schärfer, schmerzlicher, wilder, abenteuerlicher, entbehrungsreicher, urteilsfroher. In dieser Geschichte widersetzen sich die Alten, wollen nicht so hart richten, wollen ihren alten, teils eher phlegmatischen Gewohnheiten – in denen immer auch eine gewisse Zögerlichkeit oder sogar moralische Ermahnung gegenüber der entfesselten Rachsucht anderer war – treu bleiben.
„‘Du bist seit vierzig Jahren der Dorfimam … du bist gerecht und weise. Wir wollen, dass du den heiligen Krieg ausrufst.‘ ‚Und wer wäre dann der Feind?‘ ‚Alle, die eine Dienstmütze tragen: Gendarmen, Polizisten, Soldaten…‘ ‚Bis hin zum Briefträger‘, spottet Smail und verdirbt mit einem Schlag die Feierlichkeit, mit der Kada den Imam beeindrucken wollte. Haj Salah verschlägt es die Sprache. Stumm, niedergeschmettert, den Kopf in den Händen vergraben, sitzt er da und weigert sich zu glauben, was er soeben gehört hat. …Wenn das Ungeheuer im Kind erwacht und bewirkt, dass das Verlangen nach Bestrafung das Gebot der Vergebung bezwingt.“ (126).
Mit ihrer zu humanen Seite gerade ziehen die Alten extreme gewalttätige Rache der jungen Eiferer auf sich. Beklemmend zu lesen, wie nach der Rückkehr Kadas an die Stelle des durch den Polizisten Allal repräsentierten Gewaltmonopols die einschüchternde Macht der Islamisten tritt. Sie kommen nachts in die Häuser. Erst entführen sie „nur“ die alten Vorsteher der Gemeinde, dann werden sie deutlicher und töten direkt, Männer, Frauen, Kinder. Die Staatsmacht entschließt sich zu massiverem Eingreifen. Als Sarah entführt wird, führt Allal einen Trupp an, um die in die Berge ausgewichenen Islamisten zu stellen und Sarah zu befreien. Sie finden nur noch ihren gefolterten Leichnam. Und als Allal sich über diesen beugt, wird er von einer darin deponierten Bombe zerfetzt. Das ist äußerst krass dargestellt – und vielleicht gerade krass genug für ein Lesepublikum, das ja real an heftige gewaltsame Auseinandersetzungen gewöhnt ist, trotz allem aber den universalen Traum von Liebe träumt.
Im Vorbefahren fällt mein Blick auf eine alte Festung. Später werde ich erfahren, dass es sich um die Festung Rodén handelt (https://elcadodechorche.wordpress.com/2018/12/10/roden-un-pueblo-de-alabastro-en-ruinas/?fbclid=IwAR3oPRmbWMfj9j_W7cKwhaHZMCDz3o8o5nX0VnX13swBKCT8_bFayQZgEa8).
Das Buch ist 1998 in Paris bei Julliard erschienen und liegt seit 2004 auch in einer deutschen Übersetzung im Aufbau Verlag vor. Wer sich tapfer durch die 213 Seiten gelesen hat, obwohl die brutalen Geschichten die Grenzen dessen, was ein Mensch ertragen kann, ausdauernd und gesteigert überschreiten, wird nicht nur wissen, dass Kada Hillal zwar den Mord an Sarah und Allal erreicht – sondern dass am Ende auch die Bösesten der Bösen noch von einem opportunistischen Zwerg einem gewaltsamen Tod zugeführt werden. Die Staatsmacht setzt sich wieder durch – und die Islamisten verziehen sich in die Berge. Im Dorf selbst aber gilt: Rachsucht und Opportunismus siegen, egal, wie brutal man alle anderen Hindernisse auf dem Weg zu einer Herrschaft dieser oder jener Lehre aus dem Weg räumt und ganze Dörfer entvölkert.
Ein Element der Rachsucht sei hier noch hervorgehoben. Issa, mit dessen ausdauernder Demütigung die Mentalität Ghachimats zu Beginn des Buches beschrieben wird, hat nicht nur einen Sohn, sondern auch eine Ehefrau. Und sie ist es, die ihren Sohn zu seinem Rachefeldzug, den er gemeinsam mit Kada und dem Cheikh unternimmt, anfeuert. Interessant ist, wie sie geschildert wird.
„Die Ehefrau Issas, des Ehrlosen, hat die Schikanen und Schindereien, denen er ausgesetzt war, mit seltenem Gleichmut solidarisch ertragen. …Elend und Niedergang vermochten sie nie wirklich in die Knie zu zwingen. Kaum dass sie, das gewöhnliche, vom ganzen Ort ausgebeutete und verhöhnte Dienstmädchen, ein Phantom, das unter der Bürde seiner Vergangenheit durch die feindlichen Straßen Ghachimats schlich, ihr Heim betrat, verwandelte sie sich zurück in die souveräne Hausherrin. … Wenn sie etwas befahl, gab es kein Entrinnen, wenn sie beschloss, keinen Widerspruch. … Sogar Tej spurte, wenn sie nur mit dem Finger schnippte. Die Frauen, von denen sie für ein paar armselige Dinar ausgebeutet wurde, hassten sie. Sie gewahrten an ihr eine Würde, an der ihre Verachtung abprallte, und sie misstrauten der Ruhe und Gelassenheit, die so stoisch, so undurchsichtig und so beunruhigend waren wie stille Wasser. Mutter Osmane krümmte das Kreuz, ohne sich zu erniedrigen, schluckte Beleidigungen wie Löschpapier Tintenkleckse, und wenn sie eine Kränkung erfuhr und die Augen dabei fest auf den Angreifer richtete, dann hielt am Ende der gehässigste Blick nicht dem ihren stand.“ Als ihr Mann ihr sagt, wie töricht es von Tej und seiner Bande gewesen sein, Ghachimat anzugreifen, da nun die Regierungstruppen das Dorf zurückerobern würden – sagt sie: „Ich hatte ihn darum gebeten.“ Und wenig später: „Nichts habe ich vergessen. Nicht die kleinste Schikane. … Aber ich habe in keinem Augenblick die Hoffnung verloren. Ich habe Tej einzig und allein dazu erzogen, mich zu rächen.“ (172).
Gerade wegen dieser Figur ist das, was Mohammed Moulessehoul hier seinen Leser*innen zumutet, wohl tatsächlich die Parabel der gewaltigen „Tragödie“ des Mittleren Ostens. Was sollte ich dazu sagen, während ich mich auf den Weg zur Universität Saragossa machte, um an einer Konferenz über die Zunahme autoritärer Tendenzen auch in Europa teilzunehmen?
„Welthistorisch“ wäre wohl die alte Feststellung zu wiederholen: die Entfremdung, die einsetzt, sobald entkolonisierte Staaten an der globalen Wirtschaftsweise teilnehmen, ist sicher nicht zu heilen, indem man sich einfach auf alte, archaische Herrschaftsformen und gesellschaftlich selbstmörderische Blutrache „zurückbesinnt“.
„Genderpolitisch“ – in Wahrheit nicht „nur“ genderpolitisch, sondern wahrhaft weltpolitisch – wäre zu bemerken, dass wirklich kein einziges Problem der ehemaligen Kolonien der westlichen Welt gelöst wird, wenn man einfach die Ordnung der Männer auf Kosten der Selbstbestimmung der Frauen konstruiert und gegen die vermeintlich westlich induzierte Unordnung des Hyperkapitalismus setzt. Denn – hier bleibe ich doch wohl protestantische Christin – die Kraft, die aus den Rachekreisläufen herausführen könnte, ist nun einmal einzig die Liebe. Und zu ihr gehört zwingend die selbstbestimmte erotische Liebe unter Einzelnen. Wer seine Würde auf Liebe, statt auf Rache, auch im Angesicht der Erniedrigung baut, der muss, so hoffe ich, sich nicht einfach mit der permanenten Erniedrigung wegen des Geschlechts, der Rasse, der Herkunft oder früherer Taten abfinden, sondern darf mutig, stark, erwachsen, mit der bestmöglichen Balance von Milde und Konsequenz, für sich, seine Mitmenschen und seine Sache eintreten. Diese Hoffnung scheine ich als mehr oder weniger christliche Europäerin mit dem Moslem Moelessehoul zu teilen.
Irgendwie war ich insofern ganz froh, als ich las, dass Moulessehoul diesen Text geschrieben hatte, bevor 9/11th uns alle „islamophob“ zu stimmen drohte. Denn nichts ist einer Selbsterkenntnis hinderlicher als ein zu einfach erhältliches „Feindbild“. Das gilt für „uns“ im Westen wie für „sie“ in den von schrecklichem reaktionärem Islamismus bedrohten oder schon umklammerten Ländern. Danke, dass ich vor der Konferenz die – fiktionalisierten, aber sehr glaubwürdigen – Stimmen von Menschen hören durfte, denen es auch lieber wäre, sie dürften auf anderes als Rache hoffen.